Helfer haben Zug-Katastrophe voll im Griff

Einsatzleiter proben in Günzburg für den Ernstfall – Kommunikation zwischen Behörden und Organisationen geübt

Günzburg (zg).
Günzburg. Donnerstag, 22. Juli 2004, 8.18 Uhr: Zusammenstoß eines Doppel-ICE mit einem Tankzug im Bahnhof Günzburg. Zwei Kesselwagen liegen in der Günz, Ethanol läuft in die Donau, drei Waggons brennen. Im Personenzug befinden sich rund 1000 Menschen. Es ist von vielen Toten und mehreren hundert Verletzten auszugehen. Giftige Stoffe gelangen in die Luft. Dieses – zum Glück nur ausgedachte – Schadens-Szenario stand im Mittelpunkt einer Fortbildungsveranstaltung der Katastropheneinsatzleitung des Landkreises Günzburg.

Rund 60 Führungskräfte des Katastrophenschutzes aus verschiedenen Behörden und Organisationen des Landkreises wurden unter der Leitung eines siebenköpfigen Ausbildungsteams der Feuerwehrschule Geretsried während der dreitägigen Schulung auf den schlimmsten Fall vorbereitet. Das Szenario, dass den Teilnehmern vorab nicht bekannt gegeben wurde, hatten sich Vertreter der Feuerwehrschule Geretsried mit umfangreichen Recherchen im Vorfeld der Fortbildung ausgedacht. Auf Weisung des Bayerischen Innenministeriums müssen derartige Fortbildungen bei allen Landratsämtern durchgeführt werden. Ziel war es, sich mit Katastrophen über das übliche Maß hinaus zu beschäftigen.
Geübt wurde unter realen Bedingungen: Im Keller eines Nebengebäudes des Landratsamtes nahm die Führungsgruppe Katastrophenschutz ihre Arbeit auf. Die Örtliche Einsatzleitung bezog zusammen mit der Sanitätseinsatzleitung und ihren jeweiligen Unterstützungsgruppen beim Feuerwehrhaus Günzburg Position. Auf beiden Führungsebenen wurden Vertreter der Polizei, der Feuerwehr, des Bayerischen Roten Kreuzes, des Technischen Hilfswerkes sowie der Bundeswehr einbezogen. Dieses Mal blieb allerdings der übungsmäßige Einsatz der Rettungskräfte vor Ort aus. Es ging vielmehr darum, den Großschadensfall auf den Informations- und Kommunikationsebenen in den Griff zu bekommen.
Die Führungsgruppe muss bei einem derartigen Ereignis neben der Erklärung des Katastrophenfalles und der Übernahme der Einsatzleitung auch die Unterrichtung der Bevölkerung sowie übergeordneter und benachbarter Stellen übernehmen. Dazu gehören Entscheidungen zum Beispiel über eine Evakuierung des Schadensgebietes. Hauptaufgabe ist aber die Unterstützung der so genannten Örtlichen Einsatzleitung – diese bestimmt die Taktik zur Schadensbekämpfung vor Ort und führt sowie koordiniert die eingesetzten Kräfte.

800 Soldaten marschieren

Diesmal hatten die Führungskräfte rund 1300 Einsatzkräfte der Feuerwehr, des Rettungsdienstes, des THW und der Polizei zu koordinieren. Die Bundeswehr setzte am Nachmittag darüber hinaus (fiktiv) 800 Soldaten in Marsch. Vor Ort waren „Tote“ und „Verletzte“ zu bergen, wenn nötig zu versorgen und zu registrieren. Auch die Unverletzten mussten betreut werden. Doch damit nicht genug: Ein Teil der Stadt Günzburg musste aufgrund giftiger Rauchentwicklung „evakuiert“ und der „Brand“ des Güterzuges bekämpft werden.
Warnungen der Bevölkerung, weiträumige Umleitungen und Straßensperrungen sowie die Information von Medienvertretern wurden übungsmäßig ebenso veranlasst wie die Vorbereitungen für die Evakuierung der Günzburger Krankenhäuser. Immer wieder mussten sich die Übungsteilnehmer unter hohem Stress auf neue Situationen einstellen: Der Einsturz einer Brücke infolge des Zugunglücks erschwerte die Bedingungen ebenso wie die Tatsache, dass sich der Wind in Richtung der Kliniken drehte, so dass die Evakuierung der Krankenhäuser angedacht werden musste. Auch Landrat Hubert Hafner beteiligte sich an der Übung, in dem er zunächst den Katastrophenfall erklärte und später an zwei gespielten Pressekonferenzen teilnahm.
Hilfskräfte, Geräte und Material mussten zudem weit über die Landkreisgrenzen hinaus herangeführt werden. Dabei wurden sowohl die Landratsämter der umliegenden Landkreise als auch andere Behörden und Betriebe real in die Übung einbezogen. Selbst das Luftfahrtbundesamt, das Lagezentrum des Innenministeriums und der Augsburger Flughafen, der für die Rettungstransporte fiktiv gesperrt werden musste, spielten mit. Die Führungsund Leitungskräfte meisterten die Situationen bestens, wobei Fehler durchaus gemacht werden durften. Bei der abschließenden Nachbesprechung waren sich alle einig: Die Übung hat gezeigt, wie wichtig die Kommunikation und die Zusammenarbeit aller Hilfsorganisationen und Behörden ist. Heinrich Wolf, Lehrgruppenleiter Katastrophenschutz an der Feuerwehrschule Geretsried, bilanzierte: „Das Übungsziel wurde voll erreicht.“

Aus Günzburger Zeitung vom 28. Juli

Schreibe einen Kommentar