historische Einsätze

Vorwort

Wenn heute der schlimme Ton der Feuersirene über die friedlichen Dächer unserer Stadt heult, dann braust in kurzer Zeit die neuzeitlich ausgerüstete Freiwillige Feuerwehr durch die Straßen zum Brandplatz und macht dem gefährlichen Element den Garaus. Zwar finden sich immer noch genug Neugierige ein, die nur zuschauen und nicht immer sehr verständig daherreden, die aber nicht mehr mitzuhelfen brauchen.
So war es nicht immer. In alten Zeiten gab es keine schnell alarmierte motorisierte Feuerwehr. Da mussten alle Einwohner des Städtchens mitanpacken, wenn es brannte. Und es brannte oft. Warum, das werden wir noch sehen.

Verheerende Brände im Mittelalter

Aufgefundene Brandspuren deuten darauf hin, dass vor allem die Günzburger Unterstadt im Mittelalter oft und schwer unter Feuer gelitten hat. Die dortigen Häuser waren schlecht gebaut. Nur die Begüterten und Vornehmen wohnten in Gebäuden aus Stein, und die standen meist in der Oberstadt. Die kleinen Handwerker, Landwirte, Tagelöhner und Händler aber konnten sich nur mit Stecken geflochtene und mit Lehm überdeckte Holzbauten leisten, deren Dächer aus Schindeln und Stroh bestanden. Es lässt sich denken, dass die Feuerungsanlagen in diesen Behausungen ebenfalls höchst primitiv waren. Schornsteine waren bei den Kleinhäuslern der Unterstadt unbekannte Dinge. Eine Bau- und Feuerpolizei gab es noch nicht. Von gemeindlichen Löscheinrichtungen wusste man nichts. Wie leicht konnte unter so dürftigen Verhältnissen Feuer ausbrechen, das verheerende Ausmaße annehmen musste, wenn in heißen Sommern die eng zusammenhängenden und vielfach übereinandergehenden Schindel- und Strohdächer ausgetrocknet waren.
Wer konnte da schon viel ans Löschen denken, wenn es in diesen mittelalterlichen Holzbauten brannte! Es galt, das eigene Leben, die Kinder, Kranken und Gebrechlichen sowie die notdürftige Habe in Sicherheit zu bringen. Die engen Gassen füllten sich mit Menschen, die dem wütenden Element völlig hilflos gegenüberstanden. Die Leute rannten hilfesuchend, kopflos und während der Nacht doppelt planlos durcheinander. Wirre Knäuel verstopften die engen Gässchen. Im Gedränge wurden nur zu oft Frauen, Alte und Kinder erdrückt und Niedergefallene zertrampelt. Gar mancher fand wohl in den Flammen den Tod.

Mit Feuerkübel, Wasserfass und Feuerpatsche

In späteren Jahrhunderten wurde es besser. Bürgermeister und Rat der Stadt sahen nicht mehr tatenlos zu, sondern sorgten in Brandfällen für Zucht und Ordnung. Es zeichneten sich die ersten Anfänge einer Feuerpolizei und Brandordnung ab. Es wurden die ältesten Anordnungen zur Verhütung von Feuersbrünsten erlassen und die Bürger ermahnt, mit Fleiß und Umsicht diese zu befolgen.
Viele Hände waren anno dazumal nötig, und darum durfte am Brandplatz keiner müßig herumstehen. „Unnütze Gaffmäuler“, wie sie damals hießen, wurden nicht mehr geduldet. Es galt, den Feuerkübel, den ledernen Wassereimer von der Wasserstelle aus durch ein Spalier vieler Hände wandern zu lassen. Die Feuerpatsche war ein zwar primitives, aber wichtiges Instrument. Auch wenn sie nur aus einem einfachen Besen oder einer Stange bestand, die man mit Leinwand oder Leder überzog und dann ins Wasser tauchte, um damit auf brennende Gegenstände loszuschlagen.
In Günzburg gab es früher eine „Leitergasse“. Heute heißt sie Willroidergasse. An ihren Hauswänden waren die Feuerleitern aufgehängt. Ferner hatten die Leute Feuerhacken, mit denen sie beim Brand gefährliche Gebäudeteile niederrissen oder brennende Gegenstände aus dem Feuer zogen. Bürger, die Pferde oder andere Zugtiere hielten, waren verpflichtet, diese zum Transport der primitven Gerätschaften zur Verfügung zu stellen. Bürger mit Fässern und Kufen und Zubern mussten bereit sein. Zimmerleute, Dachdecker und Tagelöhner mussten mit ihren Geräten zur Brandstätte eilen. Wer den Anordnungen der Männer vom Rat nicht gehorchte, bekam ein Bußgeld oder Arrest aufgebrummt. Im Wiederholungsfalle musste er mit Stadtverweis rechnen.
Die Handfeuerspritze war zwar schon im 15. Jahrhundert erfunden worden, kam aber erst viel später allgemein zur Einführung. Sie brachte eine Verbesserung aber noch keine Wende in der Brandbekämpfung. Der lederne Eimer – jeder Bürger musste davon einen oder mehrere besitzen – war ihr Ersatz.

Als der Turmwächter die Feuerglocke schlug

Schaurig heulende Sirenen gab es in alter Zeit nicht. Die Älteren von uns wissen noch aus eigenem Erleben, wie der Stadttürmer die Glocke schlug, wenn er einen Brand entdeckt hat. Jahrhundertelang war der Türmer – früher hieß er der „Wärtel“ – auf dem Unteren Tor das allzeit wachsame Auge der Stadt. Viertelstunde um Viertelstunde musste er nach den vier Himmelsrichtungen spionieren. Feuer und anrückende Feinde hatte er zu entdecken und zu melden. Und so blies er im Ernstfall gar oft das Signalhorn oder schlug auf die Alarmglocke.
Zu keiner Tages- und Nachtzeit durfte der luftige Ausguck unbesetzt sein. War der Türmer selbst nicht anwesend, mussten ihn seine Frau oder die Söhne und Töchter vertreten. Manchmal bekam er auch Vorwürfe, wenn die Alarmierung nicht schnell genug erfolgte. „I ka net vorher aschlaga, vor i an Rauch oder a Fuierle sieh“, hat mal so ein Türmer im vorigen Jahrhundert gemeint. Er hatte zweifellos recht damit. Ab und zu soll es auch vorgekommen sein, dass er Alarm schlug, obwohl es gar nicht brannte. Aber lieber einmal zu viel als zu wenig! Dieser Grundsatz gilt für die Alarmierung auch heute noch.

Ausgleich für den Brandwächter: Hochzeiten und Kindstaufen

Da haben zum Beispiel im September 1837 die Günzburger ihren ehrenwerten Mitbürger Ferdinand Böck als Wärter auf den Turm geschickt. Vor Dienstantritt wurde ihm eingetrichtert: Bei Tag und Nacht die ganze Gegend und die Stadt wegen Feuers fleißig übersehen! Stand der Ausbruch eines Brandes für ihn fest, hatte er, wenn es auf dem Land war, das Feuerhorn zu blasen und zur Nachtzeit eine Laterne mit rotem Licht am Turm aufzuhängen. Genau so hatte er zu handeln, wenn er den Brand zwar nicht selbst sah, wenn ihn aber der reitende Feuermelder aus einer der umliegenden Ortschaften meldete. Das waren die Feuerreiter, die gar oft die Hilfe der Stadt in Anspruch nahmen. Bei einem Brand in der Stadt selbst hatte er die Sturmglocke anzuschlagen und musste die Feuerfahne in der Richtung nach dem Feuer aus dem Torturm hängen. Nachts war es statt der Fahne die Feuerleuchte.
Als Ausgleich für die etwas langweilige und dadurch auf die Nerven gehende ständige Feuerwache gönnten die Günzburger ihrem Stadttürmer auch einige angenehmere Dienstobliegenheiten. So durfte er gegen gute Gebühren und noch besseres Essen und Trinken bei Hochzeiten und Kindstaufen lustige Weisen blasen. Da möchte es dann wohl öfter geschehen sein, dass er nach so einer feuchtfröhlichen Festivität beschwingten Schrittes die Treppen in seinem Unteren Torturm emporgegondelt ist!

Wer damals abbrannte, war ein Bettler

Wenn es anno dazumal im Städtchen brannte, bedeutete dies viel mehr als heute eine allgemeine Gefahr. In alten Zeiten waren, wie wir sahen, viele Häuser aus Holz gebaut und mit Stroh oder Schindeln gedeckt. Weil die Bedachung so primitiv war, ist es auch im Jahr 1735 beim großen Günzburger Stadtbrand rasend schnell gegangen. Es gab noch keine Streichhölzer und die Bewohner haben das Herdfeuer oft nächtelang unterhalten. Es gab noch kein Elektrizitätswerk, das in alle Häuser Licht leitete. Statt dessen brannten Kerzen und Kienspan und erhöhten die Feuersgefahr.
Und nicht zu vergessen: Es gab noch keine Sparkassen und Banken und keine Feuerversicherung. Mit dem Haus war oft auch das ganze Geld in der Truhe vernichtet. Wer damals abgebrannt ist, stand tatsächlich vor dem Nichts.
Zwar waren, wie bereits erwähnt, in einem Brandfalle alle Bürger der Stadt zur Feuerbekämpfung nach altem Herkommen verpflichtet. Aber die allgemeine Unsicherheit während des Brandes war groß. Unsaubere Elemente benutzten die Verwirrung unter der Bevölkerung, um im trüben zu fischen. Darum verließen während eines Brandes viele nur ungern die eigene Behausung. Man musste schwere Strafen für solche androhen, die das Brandelend anderer zu Diebstählen ausnutzten. Gar mancher Schlawiner mag als Folge solchen Tuns am Strang geendet haben. Die Nachbarn eines Brandleiders aber wurden angehalten, darauf zu achten, dass nichts von dem wegkam, was aus dem Brandhaus getragen wurde.
Die Brandstifter aber trafen unbarmherzig harte Strafen. Auch wenn das Feuer durch Unachtsamkeit, Ungehorsam, Versäumnis und Verwahrlosung verursacht war, wurde ohne Ansehen der Person bestraft.

Der Schlossbrand vom Jahr 1703

Der Spanische Erbfolgekrieg wütete im Land, da kamen im Juni 1703 auf der Donau viele Flöße von Ulm herunter. Auf ihnen wurden nicht weniger als 1.400 ruhrkranke Franzosen nach Günzburg transportiert. Das alte Markgrafenschloss unserer Stadt verwandelte man in aller Eile in ein Soldatenhospital. 600 Soldaten trug man als Tote aus dem ehedem so lebensfreudigen Schlossgebäude.
Da läutete um die Mitternachtsstunde des 2. August die Feuerglocke vom Torturm Sturm. Im Schloss war Feuer ausgebrochen, das mit rasender Schnelligkeit um sich griff. „Die Franzosen haben das Schloss abgebrannt“, bemerkte die alte Chronik der Günzburger Franziskanerinnen.
Außer dem Schloss brannten 40 Bürgerhäuser. Auch die Hofkirche brannte aus. Der Prunksaal im Schloss, der so viele rauschende Feste erlebt hat, fiel den Flammen zum Opfer. Bei der Brandkatastrophe fanden noch viele kranke Soldaten, die sich selbst nicht helfen und die man nicht mehr bergen konnte, den Verbrennungstod.
Es dauerte knapp 33 Jahre, da traf Günzburg das nächste und noch weit schlimmere Brandunglück.

Großer Stadtbrand, die „erbärmliche Brunst“ vom Jahr 1735

An einem schönen Maiensonntag des genannten Jahres war es, da brach abends gegen 9 Uhr im Haus des Hafners Sebastian Miller am Schnöllermarkt, heute Pelzgeschäft Frey am Stadtberg 16, Feuer aus, das den danebengebauten Stadel des Spitalmeisters Winkler, ehem. Butter- und Käsehandlung Müller am Stadtberg 14, rasch ergriff. Ein Sturm dehnte das Feuer auf die rechte Seite der Ulmer Straße und auf die Häuser der Schmiedgasse aus. In kurzer Zeit waren 36 Firste niedergebrannt. Durch den ganz auf Westen drehenden Wind und dem bei jedem Großbrand herrschenden Feuersturm griffen die Flammen – nach der mündlichen Überlieferung durch das Storchennest auf dem unteren Bachturm, der an der Stadtmauer zwischen dem Unteren Tor und dem Vogelturm stand – auf die Oberstadt über, wo sie in wenigen Stunden 140 Häuser, 2 Schulen, 2 Benefizien, die Frauenkirche und das Frauenkloster sowie 8 Stadttürme vernichteten. Die halbe Stadtmauer stürzte ein. Es war, wie in einem alten Zunftbuch vermerkt ist, eine „wilde, erbärmliche, grausame, tobende und viel fressende entsätzliche Brunst.“
Die halbe Bürgerschaft wurde durch sie total verarmt. Die betroffenen Bewohner konnten nur noch das nackte Leben retten; von Löschen war bei diesem Feuersturm keine Rede mehr. Es war nicht anders, „als wenn ein feuriger Drach oder eine Kugel von einem Dach zum anderen geflogen und selbst angezündet hätte“. Die obdachlos gewordene Günzburger Bevölkerung fand in dem vom Feuer verschonten Häusern und in den umliegenden Dörfern Aufnahme. Die Not war ungeheuer groß. Aber der gute Bürgersinn ließ aus den Ruinen bald wieder neues Leben und das Wunderwerk unserer Liebfrauenkirche durch Meister Dominikus Zimmermann erstehen.

St. Florian, der himmlische Feuerwehrmann

Seit dem Brandjahr 1735 wird in der Günzburger Spitalkirche am St. Florianstag ein Amt gehalten. In ihm sangen die Besucher immer das alte Günzburger Florianslied, dessen zweite Strophe mit den Worten beginnt: „Als vor vielen vielen Jahren das Feuer uns verunglückt hier, Günzburg hat leider es erfahren, ach bewahre uns hiefür!“
Ja, der feuerlöschende Florian hat als mächtiger Fürbitter unter der Günzburger Bürgerschaft allzeit große Verehrung genossen. Auf den Märkten verkaufte man früher „Feuersegen“, die man daheim unters Dach oder an den Stadel nagelte und in denen es hieß: „Sanct Florian wolle uns bewahren vor den Brandt- und Feuersgefahren!“ Für manches Gewerbe, das mit Feuer zu tun hatte, war der hl. Florian der Schutzpatron. So für die Seifensieder und die Kaminkehrer. Auch die Töpfer, Zinngießer und Fassbinder wählten St. Florian, wohl weniger wegen des Feuers als wegen des Wassers. Der Spruch: „St. Florian, behüt mein Haus, zünd andere an“, war und ist heute noch eine recht boshafte Bitte, die von wenig Nächstenliebe zeugt.
In der Günzburger Brandkatastrophe aus unserer Zeit, nämlich der vom stürmischen Kriegsfrühling des Jahres 1945, verbrannte ein uraltes Gemälde im städtischen Altersheim, auf dem zu sehen war, wie die halbe Stadt anno 1735 in Flammen stand. Im Vordergrund des Bildes stand der große Fürbitter gegen Feuersgefahr, der hl. Florian, wie er mit der Rechten aus einem Kübel über das Schlossgebäude Wasser gießt, damit es nicht nochmals abbrenne wie anno 1703; in der Linken hielt er eine Fahne mit dem Günzburger Wappen.