Geschichte der Feuerwehr Günzburg

Vorwort

In den vierziger und fünfziger Jahren des vorigen Jahrhunderts setzte sich in mehreren bayerischen Städten die Überzeugung durch, dass man dem furchtbaren Element des Feuers nicht so unvorbereitet und planlos wie in den vorangegangenen Jahrzehnten und Jahrhunderten gegenüberstehen darf. Selbstlose und opferwillige Männer taten sich zusammen und gründeten die ersten Wehren: 1849 in Nürnberg und Augsburg. Günzburg folgte bereits im Jahre 1856, während die Hauptstadt München erst einige Jahre später eine freiwillige Wehr erhielt.
Am 29. Mai 1856 nachts halb 12 Uhr brach beim Tuchmacher Bögner ein Brand aus. Bei den Löscharbeiten klappte es hinten und vorne nicht, und drum berief ein Günzburger Bürger, der Brauereibesitzer Josef Hänle, für den Abend des folgenden Tages eine Versammlung in der „Münz“ ein. In ihr wurde beschlossen, einen „Löschverein“ zu gründen. Am Samstag, 31. Mai 1856, begaben sich, wie aus einem alten Archivprotokoll hervorgeht, der Brauereibesitzer Hänle, der Metzgermeister Haan, der Buchbindermeister Moßauer, der Bäckermeister Schwarz, der Urmachermeister Keller, der Brauereibesitzer Hauber, der Schreinermeister Oswald und der Brauereibesitzer Bucher in die Kanzlei des Bürgermeisters Josef Gernbeck und verpflichteten sich, „bei vorkommenden Bränden zu jeder Zeit die Dienstleistung zu besorgen sowie durch Übungen die nötige Gewandtheit zu erlangen“. Zu ihrem ersten Kommandanten – damals hieß es „Obmann“ – wählten sie den Einberufer der Versammlung, Brauereibesitzer Josef Hänle.
Damit war die erste Günzburger Freiwillige Feuerwehr gegründet.

Rasche Aufwärtsentwicklung der jungen Wehr

Das alte Protokoll meldet weiterhin, dass sofort an die Werbung gegangen wurde. Die Mitglieder der damals in unserer Stadt bestehenden „Liedertafel“ traten geschlossen dem Löschverein bei. 1859 wurde der Löschverein bereits in 3 Züge eingeteilt. Im September des gleichen Jahres nahm der Günzburger Löschverein an der Hauptübung der Freiwilligen Feuerwehr Augsburg teil. Einen Monat später kam der Augsburger Kommandant nach Günzburg, um die hiesige Steigerabteilung zu organisieren. Der städtische Feuerlöschkommissar, Eisenhändler Franz Rebay, setzte beim Stadtmagistrat die Anschaffung der nötigen Steiger-Requisiten durch. Den Günzburgern gefiel die gute Organisation der Augsburger Wehr und sie organisierten ihre eigene nunmehr ganz nach dem Augsburger Vorbild durch. Seit Herbst 1859 ließ man den Namen „Löschverein“ fallen und nannte sich „Freiwillige Feuerwehr Günzburg“. Die erste große Hauptübung war im September 1860, an der 38 Mann der Augsburger Wehr teilnahmen. Die Günzburger Wehrmänner bestanden vor sehr kritischen und fachmännischen Augen ihre Probe glänzend und ernteten das Lob aller auswärtiger sachverständigen Zuschauer.
Von da an waren die Kinderkrankheiten des Günzburger Feuerwehrvereins überstanden und es ging rasch aufwärts. Die Mitgliederzahl und das Interesse der einheimischen Bevölkerung nahmen ständig zu. Mit großem Eifer wurde geübt, der Stadtmagistrat hatte für die Notwendigkeit einer guten Ausrüstung Verständnis. 1864 stiftete die Günzburger Frauenwelt der Feuerwehr die erste prächtige Fahne. Die Patenstelle bei der Fahnenweihe übernahm die befreundete Freiwillige Feuerwehr Augsburg, die zum Fest mit vielen Mitgliedern nach Günzburg kam. Wenn man heute die ältesten Akten durchliest, stößt man immer wieder auf begeisterte Dankesworte an die Adresse der Augsburger Wehr.

Die erste Feuerlöschordnung von 1863

Am 1. Juli 1863 hat rechtsk. Bürgermeister Britzelmayr eine Feuerlöschordnung unterzeichnet. In ihr waren der Freiwilligen Feuerwehr die Löscharbeiten, die Bedienung des Zubringers und die Rettungsarbeiten zugewiesen. Die städtischen Spritzen wurden unter die Leitung der Feuerwehr gestellt. Zur Bedienung der Spritzen wurden die aus den Bürgern der Stadt gebildete Rotten verwendet. Der Vorstand der Feuerwehr stand unmittelbar unter der Direktion, die sich aus folgenden Stellen zusammensetzte: dem Vorstand des kgl. Bezirksamt, dem Bürgermeister der Stadt, dem mit der Aufsicht über die Feuerlöschrequisiten betrauten Magistratsrat und zwei aus der städtischen Lokalbaukommission vom Magistrat bezeichneten Technikern. Die Feuerwehr hatte nach den Anordnungen der Direktion zu verfahren. Zu einem auswärtigen Brand war sie nur bei geringer Entfernung des Brandortes, großer Ausbreitung des Brandes und mit Bewilligung des Magistratsvorstandes auf freiwilliges Anerbieten zu verwenden. Die Feuerwehr hatte alljährlich dem Magistrat über den Personalstand der Wehr zu berichten; wenn der Personalstand zu sehr absank, musste der Magistrat die erforderlichen Mannschaftsergänzungs-Anordnungen treffen.

Enge Verbindung von Stadt und Feuerwehr

Die Beziehungen zwischen Stadt, Bevölkerung und Feuerwehr wurden im Lauf der Jahre immer enger. Es war im Krieg 1870/71, da erfüllte die junge Wehr bereits Aufgaben, die infolge des damaligen Mangels anderer Organisationen im allgemeinen Interesse erfüllt werden mussten. Ihre Mitglieder stellten die Bahnhofswache, die für Erfrischungen der nach dem Kriegsschauplatz fahrenden Soldaten sorgte. Am Kirchweihmontag 1870 traf der erste große Verwundetentransport mit Schwerverwundeten in Günzburg ein; die Mitglieder der Freiwilligen Feuerwehr verbrachten sie auf Tragbahren in das Kasernengebäude am Landmannplatz, ehem. Gymnasium – heute Grundschule, das im Siebziger Krieg in ein Lazarett umgewandelt war. Gar bald erwies es sich, dass man die geschäftlichen Angelegenheiten des Feuerwehrvereins nicht auch noch dem Kommandanten aufhalsen konnte. Man stellte deshalb bereits im Jahr 1865 zur Leitung dieser Dinge einen eigenen Vorstand auf. Als erster auf diesem Posten wurde der damalige rechtskundige Bürgermeister Britzelmayr gewählt, der zwei Jahre zuvor der Stadt eine gut ausgearbeitete Feuerlöschordnung gegeben hatte.
Durch die Wahl des Stadtoberhauptes zum Vorsitzenden des Feuerwehrvereins waren eine stete Weiterentwicklung und eine zweckentsprechende Ausrüstung der Wehr bis zum heutigen Tage gesichert.

Die Ausrüstung der Wehr wurde ständig verbessert

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Gehen wir um einige Jahrzehnte zurück und werfen einen kurzen Blick ins Günzburger Feuerwehrhaus. Da finden wir 3 Leitern – die 14 Meter hohe Magirusleiter war das Stadtgeschenk zum 50-jährigen Jubiläum im Jahre 1906 -, ferner einen Steigerwagen mit Leiternausrüstung, 1 Sanitätswagen, 1 Rettungsschlauch, 6 Spritzen, 6 Schlauchwagen und entsprechendes Schlauchmaterial. Alle Chargierten, Steiger und die Mannschaft der Hydrantenabteilung waren mit Dienströcken, Messinghelmen und Gurten mit Beil versehen. Es gab einen Kommandanten für die freiwillige und einen für die Pflichtfeuerwehr, 5 Zugführer, 2 Adjutanten, 1 Requisitenmeister, 7 Sanitätsmannschaften, 4 Hornisten, 2 Tambours, 44 Steiger, 36 Mann Hydrantenabteilung, 202 Spritzenmänner in zwei Zügen, 27 Mann Demolierungsabteilung und 83 Rettungs- und Ordnungsmannschaften. Letztere hießen die „Kappeler“, weil sie keine Helme, sondern nur Kappen trugen. Das war also die alte Wehr, die im Lauf der Jahre immer besser ausgestattet wurde: 1927 erhielt sie die erste Motorspritze, 1942 das erste Löschfahrzeug mit angehängter Spritze, 1943 das Löschfahrzeug LF 15, und nunmehr zum 100-jährigen Bestehen das heißersehnte Tanklöschfahrzeug.
Im Jahre 1929 ertönte zum Alarm die erste Sirene, die damals auf dem Gebäude der Knabenschule angebracht war. Im Stadtgebiet wurden Feuermeldestellen errichtet, und für den Turmwächter entfiel von da an seine jahrhundertalte Feuerwachtätigkeit. Auch brauchten die Mesner der Frauen-, Hof- und Stadtpfarrkirche nicht mehr anschlagen. Später fanden dann die Luftschutz-Sirenen, die oft genug unheimlich über die Stadt heulten, als Feueralarmanlagen bis zum heutigen Tage Verwendung.

Das Kriegsende 1945 – die härteste Bewährungsprobe für die Günzburger Feuerwehr

Wohl die schwersten Tage im Lauf ihrer hundertjährigen Geschichte erlebte die Freiwillige Feuerwehr im Monat April 1945. Da war der 9. April unseligen Andenkens, an dem 35 Häuser in unserer Stadt brannten; der Süd- und Westteil der Stadt war mit einer Unzahl von Spreng- und Brandbomben belegt worden. In der äußeren Ulmer Straße, auf dem Gries, in der Mühlgasse, Wagnergasse, Hockergasse, am Stadtberg (städt. Altersheim), Ichenhauser Straße (Süddeutsche Baumwollindustrie), Krankenhausviertel, Mengele-Fabrik – überall brannte es. Bis zu 20 Feuerwehren weilten an diesem schwarzen Tag in Günzburg. Am 19. April gingen vier Waggons eines Munitionszuges am Bahnhof in die Luft. Die Folge waren Brände in der Bahnhofstraße. In den letzten Tagen vor dem Einmarsch der Amerikaner wurde Günzburg mit Artilleriefeuer belegt, das viele Brände und Verheerungen zur Folge hatten. Es brannte in der Schützenstraße, in der Schlachthausstraße, am Kuhberg; auch in den Marktplatz wurde eine Lücke gerissen, das „Rößle“ brannte ab. 150 Wohnungen der Stadt Günzburg wurden in diesen bösen Tagen völlig zerstört; weitere 481 Wohnungen sind schwer beschädigt worden.
Für die Freiwillige Feuerwehr und ihre Leitung war dieses Kriegsende eine äußerst harte Bewährungsprobe. Die junge Mannschaft stand unter den Fahnen, und die noch einsatzfähigen Männer in der Stadt konnten bei einer solchen Vielzahl gleichzeitiger Brände nicht überall sein. Im Rathauskeller war die zentrale Befehlsstelle; es wurde das Menschenmögliche getan, um die zur Verfügung stehenden Männer und Geräte auf die zahlreichen Brandplätze zu verteilen. Es fielen manchmal recht ungerechte Vorwürfe, die aus der persönlichen Notlage heraus durchaus verständlich waren; aber die allgemeine Verwirrung war eben zu groß, um allen Anforderungen gerecht werden zu können. Dazu kam noch, dass bei den auswärtigen Feuerwehren großenteils das notwendige Schlauchmaterial fehlte.

Die Aufgaben in den Nachkriegsjahren nahmen gewaltig zu

Nach dem zweiten Weltkrieg begann für die Freiwillige Feuerwehr Günzburg die Periode eines neuen und nicht immer leichten Aufbaus. Vordem nicht gekannte Aufgaben traten an die Feuerwehr heran. Die stete technische Aufwärtsentwicklung in allen Bereichen des täglichen Lebens hat es mit sich gebracht, dass die Wehrmänner zur Erreichung eines effektiven Einsatzes über moderne Ausrüstungsgegenstände, Gerätschaften und Fahrzeuge verfügen müssen. Dies erforderte einen stets wachsenden finanziellen Aufwand. Die Stadt Günzburg als Sachbedarfsträgerin für ihre Wehr und die selbstständig gebliebenen Wehren in den sieben Stadtteilen sind ihrer Verpflichtung in ausreichendem Maße nachgekommen. Auch die Ausbildung der Wehrmänner wurde der fortschreitenden Entwicklung angepasst. Hervorzuheben ist die ständige Gewinnung von Nachwuchskräften während der Kriegsjahre. Die Inanspruchnahme der Wehr als Hilfsorganisation gewann in den Nachkriegsjahren bis zum heutigen Tag immer mehr an Bedeutung.

Neue Fahne für die Günzburger Wehr

Die neue Fahne

Als Geschenk des verstorbenen Ehrenbürgers der Stadt, des Ingenieurs Karl Mengele, erhielt die Freiwillige Feuerwehr Günzburg nach dem zweiten Weltkrieg eine neue Fahne, deren Weihe am 5. Juli 1953 erfolgte. Die kunstvoll gearbeitete Fahne – sie wurde im Kloster Wettenhausen angefertigt – zeigt auf der Vorderseite in Samt den heiligen Florian, der ein brenndendes Günzburger Bürgerhaus löscht. Als Motiv ist der Turm der Liebfrauenkirche eingearbeitet. Die Heiligenfigur ist in japanischem Gold gestickt. Die Rückseite zeigt das Günzburger Stadtwappen.

Neubau eines Feuerwehr-Gerätehauses

Nachdem die Freiwillige Feuerwehr Günzburg am 23/24. Juni 1956 ihr hundertjähriges Bestehen feiern konnte, wurde bei der Mitgliederversammlung des Jahres 1967 zum ersten Mal über die Einleitung konkreter Maßnahmen für den Bau eines modernen Feuerwehr-Gerätehauses berichtet. Im Jahre 1968 erklärte die Stadt durch Ratsbeschluss ihr Einverständins mit der Planung des großen Projekts.
Ende September des Jahres 1969 fand der Baubeginn für das neue Feuerwehr-Gerätehaus am Stadtbach statt. Der erste Bauabschnitt umfasste die große Fahrzeughalle mit sieben Fahrzeugboxen, einer Kfz-Werkstätte, einer Atemschutz-Werkstätte, eines Schlauchlagerraumes und anderer Werkräume. Ferner gehörten dazu die Erbauung des Schlauch-Trockenturms und der Schlauchwerkstätte. Im zweiten Bauabschnitt wurde das Dienstgebäude errichtet, das einen Unterrichtsraum mit Nebenräumen, einen Bereitschaftsraum, einen Wasch- und Duschraum u.a. sowie eine Dienstwohnung umfasst. Ferner gehörte zu diesem Bauabschnitt die Errichtung einer Kommandozentrale. Der Neubau des Feuerwehr-Gerätehauses wurde in der Amtszeit von Altoberbürgermeister Dr. Seitz begonnen und unter Oberbürgermeister Dr. Köppler vollendet; die Oberbürgermeister sind zugleich die 1. Vereinsvorsitzenden der Freiwilligen Feuerwehr. Für die feuerwehr-fachtechnische Beratung beim Neubau des Gerätehauses zeichnete der damalige Kommandant und Stadtbrandinspektor Franz Mader verantwortlich. Damit fanden seine engagierten Bemühungen um eine zeitgemäße Unterkunft für die Feuerwehr, die bereits von seinem Vorgänger Julius Kurz in die Wege geleitet wurden, einen erfreulichen Abschluss.
Das neue Feuerwehr-Gerätehaus stellt eines der modernsten Gerätehäuser in Städten vergleichbarer Größe dar. Seine Gesamtkosten betrugen rund 1,2 Millionen. Mit seinen stattlichen Gebäuden und dem alles überragenden Turm dehnt es sich eindrucksvoll zwischen Stadtbach und Augsburger Straße aus. Am 23. Juni 1973 erfolgten die Übergabe und die Einweihung in feierlicher Form. Bei dem Festakt war viel Prominenz anwesend. Oberbürgermeister Dr. Köppler würdigte die große Gemeinschaftsleistung und erläuterte das bedeutend erweiterte Aufgabenspektrum der Feuerwehr.